Ursula Pidun


Bundestagsabgeordnete kassieren kräftig nebenher

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben in den ersten zwei Jahren der Legislaturperiode meldepflichtige Einkünfte von mindestens 16,5 Millionen Euro erhalten. Wegen der intransparenten Transparenz-regeln ist bei mehreren Millionen Euro unbekannt, wer die Geldgeber der Abgeordneten sind.


AfD-Spendenskandal, (Foto: elwynn/Clipdealer.de)

Geheimer Lobbyyismus muss unterbunden werden. (Foto: elwynn/Clipdealer.de)

Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de hat hierzu gemeinsam mit dem SPIEGEL die Selbstauskünfte der Parlamentarier:innen auf der Internetseite des Bundestages ausgewertet. Angesichts des Ergebnisses fordert abgeordnetenwatch.de-Sprecherin Léa Briand Konsequenzen:

„Nebentätigkeiten von Politikerinnen und Politikern in der Wirtschaft sind ein Einfallstor für Lobbyismus. Durch die Postenvergabe an Abgeordnete erkaufen sich Unternehmen einen exklusiven Zugang zur Politik. Lobbyjobs in der Wirtschaft müssen endlich verboten werden.“

Die wichtigsten Zahlen in der Übersicht:

  • Gesamteinkünfte der Abgeordneten: mindestens 16,5 Millionen Euro seit Beginn der Legislaturperiode
  • Abgeordnete mit mindestens einer bezahlten Nebentätigkeit: 202 von 709 MdBs (28,5 Prozent)
  • Überdurchschnittlich viele Hinzuverdiener:innen gibt es bei FDP (53 Prozent), CSU (46 Prozent), CDU (32 Prozent)
  • Einkünfte aus anonymen Quellen: Bei mindestens 6 Millionen Euro sind die Geldgeber unbekannt und werden von den Abgeordneten nur in anonymisierter Form angegeben („Mandant 1“)
  • Liste mit allen Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten: https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/nebeneinkuenfte2019

Beträchtliche Summen im „Nebenverdienst“

Laut abgeordnetenwatch.de kassieren manche Abgeordnete zum Teil beträchtliche Summen. So erhielt die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für einen Verwaltungsratsposten vom Schweizer Pharmahersteller Siegfried Holdling AG in dieser Legislaturperiode mindestens 123.500 Euro.

Der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kommt im selben Zeitraum auf mindestens 318.000 Euro allein aus seiner Nebentätigkeit als „Strategieberater“ – daneben geht er noch weiteren bezahlten Tätigkeiten wie einer Beiratstätigkeit bei der PR Agentur Kekst CNC nach. Der frühere Unions-Fraktionschef Volker Kauder bekommt als Berater des Bergbaukonzerns Saxony Minerals & Exploration AG eine monatliche Vergütung zwischen 3.500 und 7.000
Euro.

Quellen der Einkünfte oftmals unbekannt

abgeordnetenwatch.de kritisiert, dass in vielen Fällen die Quellen der Nebeneinkünfte unbekannt sind. Freiberufler:innen und Selbständige wie Landwirt:innen oder Anwält:innen können diese hinter Bezeichnungen wie „Kunde“, „Vertragspartner“ oder „Mandant“ verbergen.

So gibt beispielsweise der AfD-Abgeordnete und Rechtsanwalt Enrico Komning den „Mandant 30468“ an, von dem er seit 2017 mindestens 600.000 Euro erhalten hat. „Dass unsere Abgeordneten teils beträchtliche Summen aus anonymen Quellen kassieren, ist skandalös. Alle Nebeneinkünfte müssen endlich vollständig auf den Tisch, mitsamt der Geldgeber und Geldgeberinnen,“ so Léa Briand.

Liste wird von folgenden Freiberufler:innen und Selbstständigen angeführt:

  • Sebastian Brehm (CSU, Steuerberater): mindestens 1.383.500 Euro
  • Hans-Georg von der Marwitz (CDU, Landwirt): mindestens 1.223.500 Euro
  • Carl-Julius Cronenberg (FDP, Geschäftsführer mehrer Unternehmen): mindestens 1.106.500 Euro
  • Albert Stegemann (CDU, Landwirt): mindestens 1.035.500 Euro
  • Enrico Komning (AfD, Rechtsanwalt): mindestens 760.000 Euro

Interessenkonflikte inklusive

Bei den Beträgen von Freiberufler:innen und Selbständigen handelt es sich um Bruttoumsätze, von denen diese Personal- und Sachkosten bestreiten müssen. Die Nebeneinkünfte sind von daher nur bedingt vergleichbar. Allerdings können sich aus den Geschäftsbeziehungen Interessenkonflikte ergeben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Abgeordnete im Ausschuss mit einem Gesetzentwurf befasst sind, der ihre Vertragspartner:innen betrifft.

Geheim-Lobbyismus in die Schranken weisen

Um geheimen Lobbyismus in die Schranken zu weisen, braucht es aus Sicht von abgeordnetenwatch.de dringend schärfere Transparenzregeln.

„Welche Kontakte es zwischen Lobbyakteuren und der Politik gibt, erfährt die Öffentlichkeit so gut wie nie. Deshalb braucht es ein verbindliches und weitreichendes Lobbyregister. Wir fordern die Große Koalition auf, endlich wirksame Maßnahmen zu beschließen,“

so Briand. Kürzlich hatte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) Deutschland ebenfalls Versäumnisse vorgeworfen und den Bundestag aufgefordert, die Transparenzvorschriften zu verschärfen.

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Verweise:

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