Ursula Pidun


Frank Schäffler (FDP): „Ich sehe schwarz für die europäische Ebene“

Nach EFSF, ESM und Fiskalpakt ist nunmehr ein unlimitierter Euro-Rettungsschirm im Gespräch, um die Krise zu bewältigen. Derweil schwinden Zuversicht und Vertrauen der Bürger in das Krisenmanagement dramatisch. Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit dem Kritiker der Euro-Rettungsmaßnahmen Frank Schäffler (FDP).

Im Gepräch mit Frank Schäffler(Foto: Clipealer.de)

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Herr Schäffler, vor nicht einmal einem Jahr haben wir ein Interview mit Ihnen geführt. Damals äußerten Sie, dass der zu der Zeit initiierte Schuldenschnitt für Griechenland im Nirwana endet. Nun ist es praktisch soweit?

Nun wird von allen Seiten auf die Griechen eingeprügelt, sie hätten Absprachen verletzt und ihre Reformen nicht durchgeführt. Der Neuigkeitswert solcher Aussagen ist allerdings gleich Null, denn so kennt man den griechischen Staat mindestens seit 2010. Rätselhaft bleibt mir, wie man einen Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone bewirken will, denn das lassen die Europäischen Verträge nicht zu. Ich bleibe daher lieber skeptisch, ob den starken Worten auch Taten folgen.

Ebenso äußerten Sie damals, dass es möglicherweise zu einer „Vergemeinschaftung der Schulden über Eurobonds oder die Druckerpresse der EZB“ kommen kann. Wie nahe sind wir dran an einer solchen Lösung?

Wir haben mit dem ESM bereits Eurobonds, doch wenige sprechen darüber. Der ESM darf sich am Kapitalmarkt Geld holen, für das gemeinschaftlich gehaftet wird. Alle Schulden des ESM sind daher Eurobonds. Da auch der Zentralbankgeld-Zugang im ESM bereits eingelegt ist, ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis die zu diesem Zeitpunkt im Umfang noch begrenzte gemeinschaftliche Haftung entgrenzt wird.

Augenblicklich liegen ESM und Fiskalpakt dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Was bedeutet es ganz konkret für die Bürger, wenn beides  für verfassungskonform und damit rechtskräftig erklärt wird?

Wir haben dann ein anderes politisches Europa, ein Europa mit parallelen überstaatlichen Strukturen. Der ESM tritt neben die Europäische Union, denn an ihn werden Teile der nationalen parlamentarischen Budgethoheit abgetreten. Entscheidungen werden immer da getroffen, wo die Finanzen verwaltet werden. Das Problem ist, dass bereits die EU an einem Demokratiedefizit leidet. Der ESM dagegen ist Demokratieausfall. Er hat weniger demokratische Strukturen als die EU in ihrer Frühphase bei vielfacher Machtkompetenz. Wir bekommen hier den EU-Superstaat durch die Hintertür.

Derweil alle Welt auf den Richterspruch wartet, hindert es fleißige Euro-Retter nicht, eine nächste Rettungsidee in die Welt zu setzen. Diesmal geht es um einen unlimitierten Euro-Rettungsschirm. Was halten Sie davon?

Da habe ich noch nie was von gehalten. Nichts ist kostenlos. Unbegrenzte Feuerkraft, wie es im merkwürdig militärischen Jargon heißt, wird zu Inflation führen und schlimmstenfalls die Währung kosten.

Wie interpretieren Sie die Worte von EZB-Präsident Mario Draghi, er wolle „alles Erforderliche zum Erhalt des Euros“ tun?

Das ist natürlich gefährlich, weil die EZB mit vielen ihrer Maßnahmen am Rande der Legalität operiert, während es kein Gericht gibt, das ihr rechtliche Grenzen aufzeigt. Hier wird die Unabhängigkeit der Notenbank völlig falsch interpretiert.

Es ist stets die Rede von der europäischen Einigung. Wie soll das funktionieren, wenn eine Plattform im Sinne halbwegs angeglichener Regeln  der Länder praktisch völlig fehlt?

Vor vielen Jahren wurden die Weichen der europäischen Einigung falsch gestellt, als sich Integration zu Unifizierung, Liberalisierung zu Zentralisierung und Harmonisierung zu Standardisierung gewandelt haben, wie es Václav Klaus neulich ausgedrückt hat. Die europäische Einigung befindet sich auf diesem Weg leider in einer Sackgasse.

Griechenland wird bis an jegliche Leistungsgrenze gedrängt, Spanien erhält mildernde Umstände und notwendige finanzielle Hilfen auf dem Silbertablett. Kann das zielführend sein für ein geeintes Europa?

Man sieht schon jetzt, dass die Besserstellung Spaniens nicht gerechtfertigt ist und Unfrieden stiftet, wie die Rettungspolitik insgesamt. Ich sorge mich auch um den Ruf Deutschlands. Wir galten einmal als guter Nachbar, doch mittlerweile werden wir als der hässliche Deutsche mit Pickelhaube wahrgenommen, der andere Staaten und ihre Bürger zu dem zwingt, was sie nicht wollen. Bezeichnend ist der wirklich furchtbare Kommentar Volker Kauders, der feierte, dass in Europa nun Deutsch gesprochen werde.

Viele Menschen in Europa leiden extrem unter den bestehenden Verhältnissen. Findet das in der Politik ausreichend Berücksichtigung?

Oh ja, das glaube ich schon. Das Ziel, dass es allen gut gehen soll, wird doch von allen Politikern geteilt, das ist meine ich gar keine Frage. Die Differenzen entstehen beim Streit über den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Wir Liberalen haben da einen anderen Ansatz, wir glauben, dass man den Menschen nicht mit staatlichen Mitteln zu ihrem Glück verhelfen muss, sei es in Griechenland oder hier. Entscheidend ist der Ordnungsrahmen, in dem sich menschliches Handeln abspielt. Dieser Rahmen ist mir besonders wichtig. Darum betone ich immer die marktwirtschaftlichen Prinzipien, die eben mehr bringen als nur einen funktionierenden Markt, sondern für das friedliche Zusammenleben und Wohlstand unverzichtbar sind.

Wie sehen Ihre Lösungsansätze aus, dem Chaos irgendwann einmal erfolgreich zu entrinnen?

Es gibt keinen leichten Weg mehr aus der Misere. Mit der Rettungspolitik wurde keine Zeit gewonnen, sondern verplempert. Dennoch muss der Ordnungsrahmen wiederhergestellt werden. Die Rettungspolitik versucht Strukturen auf europäischer Ebene herzustellen. Doch haben dafür erstens schon die letzten zwanzig Jahre nicht ausgereicht. Zweitens sehe ich nicht, dass diese Strukturen gut sind. Sie sind undemokratisch, zentralistisch und nicht marktwirtschaftlich. Da wird nicht an einem Europa der Vielheit, der Freiheit und des Rechts gebaut, wie ich es mir vorstelle. Insofern sehe ich schwarz für die europäische Ebene und kann nur jedem raten, wenigstens seine persönlichen Verhältnisse für die Zukunft zu ordnen.“

Das Interview führte Ursula Pidun

Source: Frank Schäffler zu Rettungsschirmen