Marlen Abertini


Automatische Diätenerhöhung in der Kritik

Zum 01. Juli 2019 steigen die Diäten der Bundestagsabgeordneten beachtlich und knacken damit erstmals die 10.000 Euro-Marke. Solche Erhöhungen laufen inzwischen ganz ohne Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ab, denn das Prozedere wurde im Jahr 2016 automatisiert. Öffentliche Debatten und Verhandlungen hierzu sind seitdem nicht mehr nötig und auch vor Nullrunden bleiben Abgeordnete gänzlich verschont.

Die vollautomatische Diätenerhöhung für Abgeordnete steht massiv in der Kritik.

(Foto: shot99/Clipdeaeler.de)

Zur Erinnerung: Abgeordnete sind keine Arbeitnehmer. Vielmehr üben sie auf Zeit ein freies Mandat aus. Als Träger des freien Mandats sind sie insbesondere auch nicht an Aufträge der Wähler, der zugehörigen Partei oder der Fraktion gebunden, sondern nur an das eigene Gewissen.

Das freie Mandat ist durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich geschützt. Diese völlige Freiheit gegenüber Weisungen und Aufträgen aus der Partei oder Verpflichtungen gegenüber Wählern hatte ursprünglich den Sinn, dass Abgeordnete über Ideologien hinweg die Interessen aller Bürger im Auge behalten. Im Laufe der Zeit ist die Gefahr von Lobbyismus allerdings deutlich gestiegen.

Verfassungsrecht ausgehebelt

Aus einem Bundestagsmandat erschließt sich keinesfalls ein Anspruch auf eine automatisierte Erhöhung der Bezüge. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1975 klar geurteilt, dass Diäten nicht an die Beamtenbesoldung gekoppelt werden. Der Fokus lag dabei besonders auf Transparenz und darauf, dass jegliche Änderung der Diäten öffentlich – also vom Plenum des Bundestags – beschlossen werden muss.

Insofern wirkt es schon sehr befremdlich, wie sich die Abgeordneten 2016 schlichtweg darüber hinwegsetzten und die Besoldung von Richtern als Maßstab ihrer eigenen Vergütung zugrunde legten. Die ursprüngliche Bedeutung der Diäten liegt übrigens in einem Entgelt für „die tagende Versammlung“, also einem Tagesgeld.

Solche Diäten wurden hierzulande 1906 eingeführt, davor war die Mitgliedschaft im Parlament eine ehrenamtliche Tätigkeit. Heute ist die Abgeordnetendiät – auch mit Blick auf die vielen Zusatzleistungen und eine äußerst üppige Altersversorgung zum Nulltarif – zu einer beachtlichen Apanage angewachsen.

Verstecken hinter dem Automatismus

Unter anderem kritisiert auch der Bund der Steuerzahler den selbstherrlich verordneten Automatismus der Diätenerhöhung scharf und fordert zu Recht die Rückkehr zu Einzelentscheidungen.

„Auf der einen Seite wollen die Abgeordneten zu Recht den Parlamentarismus hochhalten, andererseits verstecken sie sich in eigener Sache hinter Automatismen.

Jede Diätenerhöhung müsste in einem separaten Gesetzgebungsverfahren vor den Augen und Ohren der Bürger begründet und darüber entschieden werden,“

äußerte Präsident Reiner Holznagel gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die parlamentarische Debatte sei zwingend notwendig. Gleichzeitig fordert er ein Ende der völlig überdimensionierten Altersversorgung der Abgeordneten. Ohne dafür einen einzigen Cent einzuzahlen, ergibt sich für Abgeordnete eine Luxuspension, die „nicht fair“ sondern „abgehoben“ sei.

Überdimensioniert großes Parlament

Bis auf Politiker der Parteien „Die Linke“ und „AfD“ haben allerdings erneut alle Abgeordneten für die eigene, äußerst üppige Erhöhung gestimmt. Die Diäten unserer 709(!) Volksvertreter steigen diesmal um satte 3,1 % und knacken damit erstmalig die 10.000 Euro Marke. Summa summarum steigt das attraktive Einkommen damit um 303,19 Euro auf 10.083,45 Euro im Monat. Auch die steuerfreie Aufwandspauschale wurde zum 1.1.2019 an die vermeintlich gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst und beträgt nunmehr 4418,09 Euro – pro Monat!

Kosten im Vergleich zur Leistung

Schultern müssen die immensen Kosten die ganz normalen Bürger, die selbstverständlich keine automatische Anhebung ihrer Bezüge zu den gestiegenen Lebenshaltungskosten erhalten. Sie müssen um jeden Cent mehr erst einmal mühsam kämpfen.

Stehen die automatischen Diätenerhöhungen hinsichtlich der Leistungen der Abgeordneten zumindest in einem akzeptablen Verhältnis? „Nein!“, sagen die Ökonomen Marc Friedrich und Matthias Weik und begründen ihre schonungslos kritische Analyse im folgenden Video:

 
 

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