Marlen Abertini


CDU-Desaster: Wo bitte geht’s zur Zukunft?…

Nun also doch: Angela Merkel nimmt Abschied von der politischen Bühne, wenngleich auch in kleinen Trippelschritten. Der wohl taktierte „Schachzug“, zunächst nur einen Rückzieher für eine erneute Kandidatur zum Parteivorsitz zu machen, ist allerdings alles andere als ungefährlich. Eine Betrachtung von Marlen Albertini.

CDU

Ein neuer Kapitän für das sinkende Schiff CDU dringend gesucht.

(Foto: novi/Clipdealer.de)

Zwei der derzeit gesetzten Nachfolgekandidaten für den Parteivorsitz der CDU kommen der Kanzlerin garantiert ins Gehege, sollten sie die Wahl für sich entscheiden. Nur mit Annegret Kramp-Karrenbauer an der Seite wäre die Kanzlerin auf der halbwegs sicheren Seite, das rettende Ufer bis zur regulären nächsten Bundestagswahl 2021 noch zu erreichen.

Realistischer ist der vorzeitige Rückzug. Zu viel Gemurkse in der Großen Koalition, zu viel Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dazu taktische Fehler – der größte davon, überhaupt noch einmal angetreten zu sein. Die Stimmung im Land ist schon lange nicht mehr ungetrübt. Geschuldet ist dies keinesfalls nur einem miserablen Management der Migrationsbewegung. Auch der strikt neoliberale Kurs, der von einigen Medien irreführend als „sozialdemokratisiert“ beurteilt wird, hat deutlich Spuren hinterlassen. Bei gleichzeitig immer höher sprudelnden Steuereinnahmen hat die stringente Austeritätspolitik im Laufe der vielen Jahre zu einer maroden Infrastruktur, unübersehbaren Defiziten im Bildungsbereich und großen Irritationen im Sozialbereich geführt.

Eine beachtlich defizitäre Bilanz

Die Schere zwischen Arm und Reich driftet immer weiter auseinander und auch eine Rentenpolitik, die den Namen tatsächlich verdient, konnte unter den langen Kanzlerschaft von Angela Merkel nicht realisiert werden. Fehlanzeige zudem in puncto Finanzkrise. Sie rüstet bereits zu einem neuen Anlauf. Schließlich bietet auch der derzeitige Zustand der EU keinen Grund zur Freude. Auch hier konnte Angela Merkel nicht wirklich punkten, obwohl ihr dieses Projekt nach eigenen Worten besonders am Herzen liegt. Schließlich aber sind es die Bürger einfach leid, mit Hinterzimmerkungeleien konfrontiert und schließlich vor vollendete Tatsache gestellt zu werden.

Das Potenzial, das die Kanzlerschaft der ersten Frau in diesem Amt bot, hat Angela Merkel nicht wirklich genutzt. Bemühungen hinsichtlich eines Zusammenwachsens von Ost und West hätte ein wahrhaft nobles Kernanliegen für die im Osten sozialisierte Kanzlerin werden können. Wie wichtig ein solches Agieren gewesen wäre, sehen wir heute. Pegida & Co. sprechen eine deutliche Sprache. So bleiben (neben der legendären Raute) an positiven Impulsen unter Angela Merkels Kanzlerschaft de facto die Abschaffung des Wehrdienstes –wesentlich initiiert durch den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sowie das „JA!“ zur Homo-Ehe. Letzteres sogar zum Nulltarif, denn dieses Zufallsergebnis tut zwar Erzkonservativen, nicht aber dem Bundeshaushalt weh.

Das Rennen macht die Moderne

Seit Jahren stehen die Zeichen in Deutschland auf Veränderung, gewollt und gewünscht von der Bevölkerung, die als Souverän unter der Merkel-Regierung von einer nennenswerten Kommunikation regelrecht abgeschnitten wurde. Die Gesellschaft ist Politikern hinsichtlich der Fragen zur Zukunft deutlich voraus. Hilflos hinken eine in weiten Teilen zerstrittene Große Koalition und die einstigen Volksparteien CDU/CSU und SPD hinterher: spürbar angeschlagen und längst aus der Zeit! Dass sich wie von Zauberhand eine Kehrtwende einstellt, weil ehemalige Merkel-Kontrahenten wie etwa der wirtschaftsnahe Friedrich Merz plötzlich aus dem Nichts auftauchen, um den CDU-Vorsitz zu vereinnahmen, sei dahingestellt. Mit Erneuerung der Partei und Aufbruch in die Zukunft hat das zunächst einmal gar nichts zu tun. Dafür umso mehr mit einem „Comeback nach narzisstischer Kränkung“ und Interessenkonflikten, die bei einer Wahl dieses Wirtschaftslobbyisten zum Vorsitzenden der CDU praktisch vorprogrammiert sind. Jens Berger, Autor der kritischen NachDenkSeiten, formuliert die Nominierung in seinem Beitrag „Alles, nur nicht Merz!“ mit folgenden Worten:

„Merz wäre der wohl größte anzunehmende politische Unfall, der Deutschland passieren könnte. Er ist das personifizierte trojanische Pferd der Wall Street und der transatlantischen Netzwerke – eine politische Bordsteinschwalbe, die ihre Haut stets an den Meistbietenden verkauft. Der Deutschland-Repräsentant von BlackRock und Vorstandsvorsitzende der Atlantik Brücke hat schon immer die Interessen der Bürger für einen Judaslohn verschachert.“

Ein „Weiter so!“ wird nicht funktionieren

Gefragt sind Zukunftslösungen, die durch Alltagstauglichkeit und einem deutlich erkennbaren Mehrwert für die gesamte Gesellschaft punkten. Stichworte sind hier unter anderem die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für jedermann, das Vorantreiben der Digitalisierung und die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen als Antwort auf „Arbeit 4.0“ und den damit den einhergehenden Fortschritten im Sinne von Arbeitszeitersparnissen. Die Abkehr von der weit überzogenen Austeritätspolitik gehört ganz oben auf die Agenda und ein vernünftiges Einwanderungsgesetz ist ebenfalls längst überfällig.

Auch wenn weite Teile der Presse derzeit so lauthals schnattern, als ginge es um eine Kanzlerwahl: Allen zum Trost sei betont, dass lediglich ein Vorsitzender für die CDU gekürt werden soll. Hinsichtlich der Kanzlerfrage – und dies nicht im Sinne eines Übergangs – ist die CDU eine von vielen Parteien, dazu noch im steilen Sinkflug. Für wen es am Ende zu einer solchen Position reichen kann, werden die nächsten Wahlen (vorgezogen oder spätestens im Jahr 2021) offenbaren. Im Wettbewerb um ein solches Amt kommt auch die CDU nicht um die Moderne herum, auch wenn der konservative Wirtschaftsflügel derzeit noch so lautstark an die Tür zum neuen Vorsitz trommelt.