Ursula Pidun


Einfluss externer Beraterfirmen der Politik gefährdet die Demokratie

Ob Boston Consulting (BCG), Accenture, McKinsey, Roland Berger oder andere: Der politische Einfluss externer Beraterfirmen für die Politik und damit auch für die Bundesregierung wird immer stärker. Inzwischen schreiben Unternehmensberatungen an Gesetzestexten mit.

Beraterfirmen im Bundestag

Der enorme Einfluss externer Beraterfirmen für die Politik ist undemokratisch.

(Foto: artens123/Clipedealer.de)

Dass auch führende Politiker angesichts immer komplexerer Fragestellungen gelegentlich Expertise benötigen und eine Unternehmensberatung einschalten, lässt sich durchaus nachvollziehen. Allerdings hat die Bundesregierung allein in den zurückliegenden fünf Jahren 3.800 Berateraufträge mit einer Summe von sage und schreibe 716 Millionen Euro vergeben. Darauf angesprochen, zeigt sie sich erstaunlich Kritik-resistent. Dies, obwohl unzählige und aufwändig geführte Ministerien mit stark wachsenden Mitarbeiterzahlen zur Verfügung stehen, die eigentlich die überwiegende Arbeit schultern sollen. Inzwischen aber lässt sich die Politik steuern. Beraterfirmen nisten sich wie ein Virus in den Politikbetrieb ein und wirken durchaus gesellschaftsverändernd.

Immense Vorteile für beide Seiten

Wer angesichts einer solchen demokratischen Schieflage nach Gründen forscht, warum die Zahl der externen Beraterfirmen immer weiter wächst, kommt schnell ins Grübeln. Eine ARD-Dokumentation beleuchtete im Februar 2019 die Hintergründe und wirft die Hypothese in den Raum, dass sowohl die beauftragenden Politiker als auch die Auftragnehmer enorme Vorteile haben, während die Steuerzahler die üppige Zeche zahlen. Demnach können Politiker als Begründung für ihre Entscheidungen im Zweifel immer auf den externen und vermeintlich unabhängigen Sachverstand verweisen. Für Beraterfirmen hingegen lohnt der Aufwand, denn sie verdienen dabei kräftig.

Das Problem fasst die Dokumentation wie folgt weiter zusammen:

„Man nennt sie die „Big Four“: (gemeint sind hier Ernst & Young, KPMG, PwC und Deloitte – Anm. der Redaktion) die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt. Diese vier Firmen prüfen weltweit die Bilanzen nahezu aller multinationalen Konzerne. Und sie prüfen Konzerne nicht nur, sie beraten sie auch – unter anderem wie man Steuerschlupflöcher in Gesetzen nutzen kann. Und schließlich beraten sie auch noch die Politik, die diese Gesetze macht. Kaum einer hat so viel Einblick. Sie haben Herrschaftswissen. Sie haben Macht.“

(Quelle: ARD-Dokumentation Video: „Die unheimliche Macht der Berater“)

Vorteilsnahme und Machtmissbrauch?

Im Prinzip handelt sich dabei auch um eine Form der Vorteilsnahme, die Politik, die verantwortlich handeln soll, in diesem ausufernden Maße gar nicht wahrnehmen darf. Zum einen werden Verantwortlichkeiten verschoben, die zwingend zum Job eines führenden Politikers zählen. Anderseits müssen Steuerzahler zusätzlich immense Kosten schultern und das für sie undurchsichtige Beratungs-Prozedere in Kauf nehmen.

Neben dem enormen Einfluss, den Beraterfirmen damit in völlig unangemessener Weise erhalten und damit demokratische Prozesse unterwandern, stellt sich auch die Frage nach einer Verhältnismäßigkeit. Für so manche laut tönende Politiker sind gesellschaftlich extrem wichtige Vorhaben wie etwa die Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, eine Verlängerung des ALG 1 sowie Erhöhung der Hartz IV-Leistungen vermeintlich nicht finanzierbar, während immense Summen an Steuergeldern für Beratertätigkeiten scheinbar keinerlei Rolle spielen.

Politische Konzepte und das Neutralitätsgebot

Dieser schieflagigen Entwicklung Einhalt zu gebieten, müsste für die Bundesregierung zum obersten Gebot werden. Ein konsequentes Zurückdrängen rein marktwirtschaftlicher Positionen, die aus Beraterfirmen stammen, um sie dann – unter dem Deckmantel politischer Reformen – flächendeckend unter die Bürger zu bringen, ist bereits überfällig. Schließlich hat die „angeratene“ neoliberale Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte extrem negative Effekte hinterlassen, deren Korrekturen uns Jahrzehnte beschäftigen werden.

Sofern Politik Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will, muss sie unter anderem unter Beweis stellen, politische Konzepte mithilfe der jeweiligen Ministerien und mit dem hier zur Verfügung stehenden, weitreichend ausgestatteten Regierungsapparat auch überwiegend wieder selbst entwickeln zu können. Das schließlich ist die ureigenste Aufgabe von Volksvertretern und genau dafür werden sie gewählt. Sehen sich Politiker hierzu im Wesentlichen nicht in der Lage, sollten sie zurück- bzw. gar nicht erst antreten. So viel selbstkritisches Demokratiebewusstsein können Bürger von Volksvertretern zu Recht erwarten.

 
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