Ursula Pidun


Grundrente: Zynische Debatten und peinliche Politiker

Die andauernde Diskussion um eine minimale Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung für langjährig Versicherte ist peinlich und im höchsten Maße zynisch. Geführt wird sie unter anderem von Berufspolitikern, die sich üppig aus der Rentenkasse bedienen, ohne einen einzigen Cent dafür einzuzahlen.

(Foto: dimaberkut/Clipdealer.de)

Jahrzehnte eingezahlt und dann Sozialhilfe. (Foto: dimaberkut/Clipdealer.de)

 
Seit nunmehr mehr als vier Legislaturperioden wird eine minimale Grundrente für langjährig Versicherte als Rechtsanspruch diskutiert – bisher ohne nennenswertes Ergebnis. Es bleibt bei ideologischen und in Teilen völlig unsachlichen Auseinandersetzungen. Ein Ende dieser mehr als beschämenden Auseinandersetzung ist auch weiterhin nicht abzusehen.

Fakt ist: Einen Rechtsanspruch auf eine echte Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung wollen Kritiker aus Politik sowie lautstarke Unterstützer der ablehnenden Haltung aus Wirtschaft und Medien den langjährig Versicherten, die Pflichten zum Erwerbseinkommen und Kindererziehung (ggf. auch Pflege von Familienangehörigen) unter einen Hut gebracht haben, schlichtweg nicht zuerkennen. Betroffen sind überwiegend Mütter, die seit jeher ein Schattendasein bezüglich Anerkennung führen. Dies, obwohl Kindererziehung und weitere bisher unbezahlte Care-Arbeiten „das Fundament unserer Gesellschaft und auch unseres Wirtschaftssystems bilden.“ Ohne diese Leistung ist alles weitere Nomenklatur und faktisch nicht möglich.

Berufspolitiker erhalten Rente zum Nulltarif

Zu jenen, die langjährig Versicherte auch weiterhin in (dann etwas erweiterter) Sozialhilfe belassen wollen, zählen auch Berufspolitiker wie Markus Söder (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Abgeordnete, Minister, Kanzler, Bundestagspräsidenten und Bundespräsidenten nehmen seit jeher ganz selbstverständlich üppige Alimentierungen im Rentenalter in Anspruch, ohne selbst dafür auch nur einen einzigen Cent in die Rentenkasse einzuzahlen. Gleichzeitig sprechen sie einem wichtigen Teil der Bevölkerung, der über Jahrzehnte sowohl Leistung als auch Einzahlungen erbracht hat, einen vergleichsweise extrem bescheidenen Rentenanspruch schlichtweg ab. Dies ist nicht nur beschämend, unangemessen und ungerecht, sondern indiskutabel und unverschämt.

Ideologiengeprägte Faktenverdrehung

Zur Untermauerung höchst seltsamer Begründungen kommt gerne die mangelnde Finanzierungsmöglichkeit ins Spiel. Zur Erinnerung: Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Welt. Defakto werden fleißige Bürger, die in die Jahre kommen, auf äußerst unsolidarische Weise schlichtweg im Stich gelassen. Denn an dem Märchen der Sozialkassenplünderung, der wir durch eine Minimalleistung für langjährig Versicherte ausgesetzt wären, ist nichts dran. Geplündert haben die jeweiligen Bundesregierungen die Sozialkassen schon selbst und zur Deckung artfremder Leistungen immer wieder den Griff in die Sozialkassen gewagt. Beispiel Kosten für die Wiedervereinigung: Sie wurde unter anderem aus der Arbeitslosen- und Rentenversicherung finanziert. Mitnichten ist das ein Märchen aus Tausendundeine Nacht.

„Fast ein Viertel der Kosten sind (…) durch die Solidargemeinschaften der Versicherten der Arbeitslosen- und Rentenversicherung getragen worden“,

kommuniziert die Bundeszentrale für politische Bildung (Quelle).

Rentenexperte Otto Teufel brachte die kontinuierlichen Griffe in die Rentenkasse gegenüber der TAZ einmal auf folgenden Punkt:

„Seit 1957 haben die verschiedenen Bundesregierungen rund 700 Milliarden Euro inklusive 300 Milliarden Zinsen quasi veruntreut. Sie wurden zweckentfremdet, für versicherungsfremde Leistungen….Dieses Geld schuldet die Regierung unserer Rentenkasse.

Tatsache ist, bei den Finanzierungsproblemen der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich nachweislich nicht um die ’Folgen, langfristiger demografischer Veränderungen’, sondern um die Auswirkungen der Eingriffe des Gesetzgebers in die Rentenkasse.

Wir leiden nicht unter einem demografischen Problem, wir leiden unter einer wirtschaftspolitischen Elite, die sich bereichert.“

(Quelle: TAZ: http://www.taz.de/!5127666/)

Bürger angemessen vertreten

Niemand will die Leistung von Politikern schmälern. Vergleichsweise aber leben sie besonders privilegiert, obwohl ihre Arbeit nicht zwangsläufig schwieriger ist, als Tätigkeiten in vielen anderen verantwortungsvollen Berufen. Von einer Haftung im rechtlichen Sinne, wie dies für Arbeitnehmer völlig normal ist, bleiben Politiker sogar gänzlich verschont. Höchste Zeit also, dass langjährig Versicherte endlich aus ihrer Bittsteller- und verschämten Schweigeposition heraustreten und ihren wohlverdienten Anteil am Wohlergehen dieses Landes einfordern. Sie haben es verdient, denn der heutige Reichtum ist besonders auch ihnen und ihrer bisher unbezahlten Care-Arbeit zu verdanken. Es ist niemandem (auch nicht der jungen Generation) damit gedient, solche Mitbürger derart zu beschämen und bis zum Lebensende in Armut zu belassen. Schließlich sind die Jungen von heute die Alten von morgen und oberste Priorität hat immer der gesellschaftliche Zusammenhalt.

Zeit für ein echtes Solidarsystem

Damit es den Jungen später nicht so ergeht, wie den derzeitig langjährig Versicherten auf Sozialhilfeniveau und darunter, müssen Politiker endlich in der Lage sein, zeitnah eine tatsächlich solidarische Rentenversicherung zu schaffen. Dazu gehört es, dass auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen. Es lohnt der Blick auf das österreichische Rentensystem, in das jeder – vom Arbeiter, Angestellten und Beamten bis hin zum Generaldirektor und Selbständigen – einzahlt. Auch wenn konservative und rechtskonservative Politiker im Alpenländle aus ideologischen Gründen gerne daran herumfeilen möchten: Es hat sich über Jahrzehnte bewährt, funktioniert erstklassig und gibt den Menschen das Gefühl, am Ende eines anstrengenden Leistungslebens stolz zu sein und in Würde leben zu können.

Andere Staaten machen also vor, wie es deutlich besser geht. Mit einer völlig vekrusteten, egoistischen und abgehobenen Politikermentalität, die sich angsterfüllt an der Vergangenheit festkrallt, bleibt ein solches Solidarsystem und auch eine Grundrente für langjährige Versicherte, die diesen Namen verdient, weiterhin reine Zukunftsmusik.

 
Verweise:
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