Ursula Pidun


Kopftuchmädchen – Stoff aus dem die Ängste sind

Angst geht um im deutschen Lande. Angst vor fremden Kulturen, die von vermeintlichen Aufklärern wie Thilo Sarrazin und Alice Schwarzer kräftig geschürt wird. Die Chef-Prediger vom Dienst beherrschen es, günstige Gelegenheiten für ihr perfides Anliegen zu nutzen und Fremdenfeindlichkeit zu schüren. Doch mehr als ein subjektiv geprägtes, krudes Weltbild kann das, was die beiden von sich geben, nicht sein.

Chef-Aufklärer wettern gegen Kopftuchmädchen

(Foto: rotoGraphics / Clipdealer.de)

Deutschland ist ein freiheitliches Land und garantiert in der Verfassung Religionsfreiheit und den Schutz vor Diskriminierung.

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden[..].“ (Art. 3 GG, Abs. 3)

Ein fundamentales Recht für alle

In unserer westlichen Welt ist die persönliche Freiheit ein fundamentales Recht und es bleibt jedem Individuum überlassen, welche Kopfbedeckung er oder sie aus welchen Gründen auch immer tragen möchte. Das mag für manche eine enorme Herausforderung darstellen. Dennoch macht eben genau das unsere demokratische Lebensform aus. Demokratie ist gelebte Anstrengung. Das sollte auch ein Thilo Sarrazin verinnerlichen, der sich zu Gen-Analysen, Ausführungen zu Dummheit und vermeintlich vererbtem Schwachsinn berufen fühlt.

Eine klare Absage auch an Alice Schwarzer, die sich hinsichtlich des Problems Integration weit aus dem Fenster lehnt. Letztlich aber scheitert sie schon an der dezimierten Hülle und Fülle des Stoffes der kleinen „Kopftuchmädchen“. Es gibt in Deutschland keine gesetzlich vorgeschriebene Kleiderordnung und wir führen sie hoffentlich auch nie ein. Und niemand, der einmal nach Teheran reiste, mutiert zwangsläufig zum Experten für den Islam – auch eine Alice Schwarzer nicht.

Die Ängste vor einer fremdartigen Kultur

Die Angst der Deutschen vor einer so fremdartigen Kultur, wie es der Islam nun einmal ist, lässt sich nachvollziehen. Christliche Kreuze, die eigentlich eine grausame Hinrichtung darstellen und so manche Wand in Kirche und Schule zieren, nehmen wir als Selbstverständlichkeit und wohlwollend wahr. Helles Glockengeläut am Sonntagmorgen, Weihrauchschwenken in heiligen Hallen und bunte Kugeln am Baum zur Weihnachtszeit vermitteln heimelige Vertrautheit. All dies begleitet und so selbstverständlich, wie Rituale zu Ostern, Klamauk zum Karneval und Hexentänze zu Halloween. Doch der Islam?

Da sammeln sich unzählige Männer zum Gebet, knien in Reih`und Glied nieder und senden mittels einstudierter Körperbewegungen Demut-Gesten Richtung Mekka. Da ertönen seltsame und ziemlich eindringliche Laute durch die Moscheen, deren Zahl auch noch ständig steigt. Da tragen dunkelhaarige Männer überdimensioniert lange Bärte und Frauen verhüllen ihr Antlitz hinter dem Stoff, aus dem die westlichen Ängste sind. Weibliche Wesen, verborgen hinter Burka, Nikab, Hidschab und Tschador huschen verhalten den Weg entlang und torpedieren den Traum vom assimilierten Volk, das sich auch in der konformen Kleiderordnung niederschlagen soll.

Den Belehrenden geht der Respekt verloren

Menschen mit abendländischer Kultur und einer sich mehrenden Abwendung von christlich geprägten Religionen sehen sich durch den für sie so befremdlich wirkenden Islam regelrecht bedroht. Wenn einer wie Thilo Sarrazin schon schreibt, Deutschland würde vom Islam unterlaufen, dann muss etwas dran sein, glauben viele Zeitgenossen und sehen sich in ihren Ängsten bestärkt. Wenn eine, wie Alice Schwarzer schon sagt, das Kopftuch muss weg, dann fühlt sich so mancher angstvolle Bürger in seinen Vorurteilen unterstützt – vielleicht sogar dazu aufgefordert, abschätzend auf diese Frauen zu blicken, die so befremdlich verkleidet des Weges eilen. Am Ende der Kette geht den Belehrenden der nötige Respekt verloren, der als Grundlage für Integration und ein bereicherndes Zusammenleben erforderlich ist.

Chef-Aufklärer wedeln mit dem Kopftuch

Deutschland wird ohne massive Einwanderung künftig nicht vorankommen. Doch eine vernünftige Diskussion zu einer gelungenen Integration von Migranten aus den verschiedensten Ländern und Kulturen ist kaum möglich. Haben die Einwanderer gar einen islamischen Hintergrund, erreichen solide Argumente praktisch nicht mehr das deutsche Ohr. Eine Differenzierung zwischen dem Islam als eine uralte Weltreligion und islamistischen Gruppierungen, die versuchen, die Welt mit unfassbarer Gewalt in Beschlag zu nehmen, findet schlichtweg nicht statt. Das ist so, als hätte man zu RAF-Zeiten alle Deutschen in diesem Land dieser menschenverachtenden Organisation zugeordnet. Sachliche Diskussionen ersticken allein schon an den genannten Chef-Aufklärern wie Sarrazin, die entweder kompletten Unsinn und gefährliche, in Teilen rassistische Thesen verbreiten oder – wie im Fall Schwarzer – mit dem Kopftuch wedeln, um Aufmerksamkeit und Auflage ihrer Publikation anzufächern. Beides macht keinen Sinn, ist äußerst kontraproduktiv und einem Vorankommen hinsichtlich gelungener Integrationsmaßnahmen nicht förderlich.

Ein Tuch lässt sich nicht durch ein Buch von Alice Schwarzer vom Kopf eines muslimischen Mädchens reißen und ein Burka nicht mittels sarrazinischen Populismus vom Leib der islamischen Frau. In unserem freiheitlichen Rechtsstaat landen Ehrenmorde selbstverständlich vor dem Richter und Mörder verschwinden hinter Gittern. Das war schon vor Thilo Sarrazins und Alice Schwarzers Verlautbarungen so und wird auch künftig so bleiben. Die Schari’a bleibt eine religiöse Gesetzgebung. In unserer freiheitlichen, westlichen Kultur bleiben Kirche und Staat getrennt und Steinigungen und andere weltweit noch immer praktizierte grausame Hinrichtungen werden von uns Europäern massiv und ohne Ausnahme kritisiert und geächtet.

Angstmacher und Ideologen

Die Vorgaben für ein gedeihliches Miteinander zwischen westlichen Kulturen und dem Islam sind relativ einfach und für jedermann klar und schlüssig formuliert. Dass sich alle Seiten daran halten, eher nicht. Die Spielregeln könnten beidseitig trainiert werden. Objektiv betrachtet gibt es keinen einzigen Grund, ein Kopftuch-Verbot zu zementieren, zumal es sich nicht um eine Vermummung handelt. Die von Schwarzer & Co. hinausposaunte These, dass es sich hier um eine Geste der Unterwerfung handelt, ließe sich besser mit einem renommierten Experten diskutieren, als mit Zeitgenossen, die ihre persönliche Ideologie zu Markte tragen. Die geforderten Verbote dienen hier wohl eher dem Wunsch, sich über andere zu erheben und dies mit sinnlosen Vorschriften zu untermauern.

Allen Angstmachern zum Trotz: Deutschland wird sich zu einem waschechten Einwanderungsland entwickeln und Bücher von Sarrazin und Schwarzer stauben in nicht all zu ferner Zukunft in den Bücherregalen ein. Mit einem Schuss Empathie und etwas gutem Willen kommt sich die Welt trotz aller Vorbehalte stückchenweise näher. Dann bieten auch die „Kopftuchmädchen“ keinen Stoff mehr, aus dem die Ängste sind. Sie müssen nicht mehr als Paradebeispiel für misslungene Integration herhalten, die übereifrige Besserwisser so lautstark ins Land hinausposaunen. Deren Wert schlägt sich ohnedies eher in den Tantiemen der Verlage nieder, als in einem gesamtgesellschaftlichen Mehrwert mit Nachhaltigkeitsfaktor.

3 Responses to Kopftuchmädchen – Stoff aus dem die Ängste sind

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  2. BertaB at 13:55

    Schwarzer und Sarrazin in einen Topf zu werfen, wie Herr Bax das tut, das ist blanker Unsinn. Vielleicht hätte sich die Autorin die Mühe machen und Originaltexte von Alice Schwarzer lesen sollen – und nicht die völlig aus dem Zusammenhang gerissenen und interpretierten Passagen über Schwarzer des Herrn Bax in seinem Buch. Es geht Schwarzer mitnichten um „Angst schüren“, sondern um Aufklärung – und um Frauenrechte. Aber mit denen hat Herr Bax wohl eher weniger am Hut. Sonst würde er verstehen, dass es selbstverständlich „objektive Gründe“ für ein Kopftuchverbot gibt. Das Kopftuch ist nicht einfach ein Kleidungsstück, sondern – inzwischen – ein politisches Symbol geworden, dass von fundamentalistischen Muslimen ganz gezielt eingesetzt wird, um Sichtbarkeit für ihre politischen Thesen zu schaffen. Dahinter steht ein Frauenbild, das Frauen nicht als gleichberechtigte Menschen – so wie es in unserem Grundgesetz verankert ist – ansieht. Leider verschließt man davor in Politik und Gesellschaft die Augen – es könnte ja der Vorwurf kommen, man sei Rassist. Die Folgen: Parallelgesellschaften, eine Paralleljustiz, Unterdrückung von Frauen und Mädchen – aber, das scheint ja nicht so wichtig, betrifft ja in erster Linie Frauen. Fällt für Herrn Bax wohl eher in die Kategorie „Gedöns“…

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  3. Maja Schmidt at 18:56

    Angst geht um, nicht nur in Frankreich oder Deutschland, in sehr vielen Ländern. Die Angst geht nicht um, weil Sarrazin und Schwarzer sie geschürt hätten, sondern weil es eine reale Bedrohung namens radikaler Islamismus, IS, Salafismus, Terrorismus (wie immer man das nennen möchte) gibt. Deutschland garantiert Religionsfreiheit. Die wenigsten sind dagegen. Die meisten Menschen vermute ich sind dagegen, dass Menschen, die unsere Hilfsbereitschaft in Anspruch nehmen, unsere Werte mit Füßen treten. Sarrazin ist nicht per se gegen Einwanderung, er ist gegen eine wahllose, unkontrollierte, massiv einseitige Einwanderung von kaum ausgebildeten Menschen aus komplett anders funktionierenden Gesellschaften. Anstatt reflexartig eine Anti-Haltung einzunehmen hätte Marlen Albertini sachlicher und differenzierter argumentieren sollen. So liest sich dieser Text runter wie etwas, was man schon 1000 Mal gehört hat. Es bringt uns keinen Deut weiter.

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